Im Jahr 1969 erschien das Buch „Die Doppelhelix“ auf deutsch, von James Watson (nicht Dr. John H. Watson), das beschreibt, wie die Struktur der DNS entdeckt wurde. Es schildert nicht nur die Entdeckung wesentlicher Grundlagen der heutigen Molekulargenetik, es gibt auch einen guten Eindruck von dem geradezu bösartigen Kokurrenzkampf um diese Entdeckung (und den Nobelpreis) und das oft sehr irrationalen Verhalten der Menschen in der Forschung. Es hat dann nicht lange gedauert, bis es in der Katholischen Stadtbücherei aufgetaucht ist. Ich war, glaube ich, der Dritte, der sich in der Bibliothek dieses Buch ausgeliehen hat. Seitdem fasziniert mich dieses Thema.
Ich bin 50 gewesen, als ich auf meine ersten Demo gegangen bin. Wegen der drohenden flächendeckenden Einführung der Gentechnik in der Landwirtschaft. Das war ein Thema, das mich sehr beschäftigt hat. Und es hat mich nicht nur beschäftigt, ich konnte der Dikussion auch gut folgen, weil ich mich so lange damit beschäftigt hatte. Ich weiss seit bald 40 Jahren, was eine m-RNA ist.
In der Diskussion um die Einführung der „grünen Gentechnik“ gab es bestimmende, oft benutzte Argumente von Seiten der Befürworter. Eines davon war, dass die Menschen, die gegen die Einführung sind, anti-wissenschaftlich eingestellt seien. Mich hat dieses Argument verwundert, weil ich mich wissenschaftliche Themen schon immer sehr interessiert haben. Ich war/bin gegen die „grüne Gentechnik“ weil es so viele wissenschaftlich untermauerte Argumente für ihre Schädlichkeit gibt.
Nachdem ich mich immer wieder in Gesprächen widerfand, wo wir lange und ausführlich aneinader vorbei geredet haben, hat sich dieser Punkt für mich so geklärt: die eine Seite hat von wisssenschaftlichen Modellen über genetische und ökologische Zusammenhänge gesprochen, und die andere Seite über Gen-Technik, also die technische Anwendung wissenschaftlicher Ergebnisse zur wirtschaftlichen Auswertung daraus ergebender Produkte. Hier kam von Seiten der Vertreter der „grünen“ Gentechnik diese Argumentationsfigur: Wenn du gegen diese/meine technische Anwendung bist, mit der ich jenen wissenschaftlichen Ergebnissen wirtschaftlichen Nutzen abgewinne, dann bist du gegen die dem zugrunde liegende Wissenschaft. Du bist also gegen genmanipulierten Mais: dann bist du gegen den wissenschaftlichen Fortschritt in der Genetik und wahrscheinlich glaubst du nicht mal, dass es Gene überhaupt gibt!
Unmittelbar damit verbunden war die Behauptung, dass, wer auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschungsergebnisse Techniken entwickelt und Unternehmen gründet, um die daraus entstandenen Produkte zu vermarkten, „wissenschaftlich“ handelt. Dass jede Handlung ethisch begründet wird (unausgesprochen oder ausgesprochen), dass für jeden Menschen die Verantwortung besteht, auf Grund welcher ethischer Werte er handelt, fällt dabei unter den Tisch. Die Firma handelt richtig, denn das ist wissenschaftlich belegt. Die Wissenschaft kann aber ihren Ergebnissen keine Werte mitgeben, die entscheiden, wie sinnvoll ist es, daraus eine Technik abzuleiten und einzuführen. Gerade wenn es um die Abschätzung von Technikfolgen geht, wird das ganz offensichtlich. Und es wird insbesondere dann wichtig, wenn sich politische Entscheidungsträger hinter der Autorität der Wissenschaft verstecken - und das haben sie bei der „grünen Gentechnik“ sehr lange gemacht - wo sie doch in ihren Entscheidungen immer von Werten ausgehen müssen. Natürlich sind alle für den wissenschaftlichen Fortschritt, das alleine aber kann keine politische Entscheidung zur Einführung einer Technik begründen. Schliesslich enthält unser Grundgesetz keine Meßergebnisse in Exeltabellen, sondern beginnt mit: Die Würde des Menschen...
Ein zweiter wesentlicher Strang der Argumentation für die Einführung der „grünen Gentechnik“ war die Dringlichkeit: Wir müssen die Gentechnik in der Landwirtschaft schnell einführen, weil sonst die Menschen bald verhungern. Mit größerer Dringlichkeit, als das Sterben von Menschen zu verhindern, kann man ein Vorhaben nicht aufladen. Nun hatte (und hat bis heute) die „grüne“ Gentechnik-Industrie keine Produkte, die wirklich auf dem Feld Eigenschaften hatten, die dem Hunger in der Welt Einhalt hätten gebieten könnten. Das gibt diese Technik und diese Denkweise einfach nicht her - so gibt es das eine „Dürreresistenz-Gen“ nicht, das, in ein Getreide eingebaut, in Trockengebieten wogende Kornfelder hervorbringt. (Sehr wohl aber gab und gibt es von örtlichen Gemeinschaften entwickelte dürreangepasste Sorten von Feldfrüchten und entsprechende Anbausysteme, sprich Alternativen.)
Was die Gentechnik hervorgebracht hat, sind in aller Regel für hochtechnisierte Agrarbetriebe „optimierte“ Pflanzen, die nur im Zusammenhang mit entsprechender Düngung, Begleitung mit dazu passender Agrarchemie zur Bekämpfung von tierischen und pflanzlichen Schädlingen einen gewissen Nutzen für die industrielle Landwirtschaft haben. Für die kleinbäuerlich strukturierte Landwirtschaft, die noch immer den Großteil der Nahrung für die Welt hervorbringt, hat die Gentechnik bis heute keine positive Bedeutung. Es ist offenbar geworden, dass „grüne Gentechnik“ vor allem ein Geschäftsmodell ist, das auf eine Agrarindustrie zugeschnitten ist, die über Geld verfügt. Dem Hunger in der Welt - der ganz überwiegend die geld-losen Teile der Menschheit betrifft - kann sie nicht abhelfen, selbst wenn sie es wollte.
Im Diskurs über die Gentechnik gab es also häufig folgende Agumente:
Es sollte mich wundern, wenn du, mein lieber Watson, da nicht Parallelen mit anderen Diskursen der letzten Jahrzehnte bis in die jüngste Zeit
entdecken könntest.